Brüssel will Alleingängen bei Grenzkontrollen Riegel vorschieben

Brüssel (dapd). In Europa bahnt sich ein Richtungsstreit über die Zukunft des Schengenraumes an. Während die Kommission um den „Geist Schengens“ zu bewahren am Freitag mehr europäische Beteiligung bei den Entscheidungen über Grenzkontrollen forderte und ein „wahrlich europäisches System“ schaffen will, lehnt eine ganze Reihe Mitgliedsländer einen Eingriff in die nationale Souveränität rigoros ab.Geht es nach der Kommission, sollen Schengen-Mitgliedsländer künftig nur noch in Notfällen – und zeitlich eng begrenzt – eigenmächtig Grenzkontrollen anordnen können. Zu oft hatten Staaten für ihren Geschmack in der Vergangenheit auf eigene Faust Kontrollen zeitweise wieder eingeführt – und damit zwar nicht gegen das Gesetz, wohl aber den Geist des Abkommens verstoßen, wie die Kommission befand.Das soll nach dem Willen von Brüssel nun anders werden: Bei vorhersehbaren Ereignissen wie Gipfeln oder Sportveranstaltungen sollen die Länder künftig grünes Licht aus Brüssel abwarten, wenn sie ihre Grenzen wieder verstärkt kontrollieren wollen. Bislang war dies alleinige Sache der Länder, die sich dabei auf eine Bedrohung der inneren Sicherheit berufen konnten. In unvorhergesehenen Notsituationen sollen die Staaten die Grenze nur noch für fünf Tage auf eigene Faust schließen können. Für eine Verlängerung wäre eine Zustimmung Brüssels nötig. „Wir nehmen den Staaten keine Rechte weg, wir geben sie Europa“, verteidigte Malmström ihren Vorstoß.Genau damit hat eine ganze Reihe von Mitgliedsstaaten allerdings Probleme. Deutschland, Frankreich und Spanien lehnen einen Eingriff in ihre Souveränität ab und wollen keine Kompetenzen an Brüssel abgeben. Und auch Schengen-Länder, die nicht in der EU sind, wie die Schweiz haben damit ihre Probleme. Schließlich hätten sie als Nicht-Europäer wohl nicht einmal ein offizielles Stimmrecht, wenn es um die eigene Grenze geht.Für einen anderen Teil ihres Vorschlags kann Malmström unterdessen auf mehr Zustimmung hoffen: So soll die Umsetzung der Schengen-Vorschriften künftig besser und auch umfassender kontrolliert werden – unter anderem durch angekündigte, aber auch unangemeldete Kontrollen von Experten der Grenzschutzagentur Frontex sowie anderer Mitgliedsstaaten.Erweist sich ein Land trotz EU-Unterstützung nicht in der Lage, seine Grenzen angemessen zu schützen, soll als „ultima ratio“ von den Mitgliedsländern eine Wiedereinführung von Kontrollen an dessen Grenzen beschlossen werden können. Dieser Vorschlag war in der Presse bereits als „Griechen-Klausel“ bezeichnet worden, da Griechenland schon lange mit erheblichen Problemen an seinen Grenzen kämpft und schon seit längerem Hilfe der Grenzschutzagentur Frontex annimmt.Malmström erhofft sich von der Klausel aber auch Bewegung im Streit um einen Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Dieser steht eigentlich in Kürze an. Angesichts anhaltender Korruption und Kriminalität in den beiden Ländern haben eine ganze Reihe Länder – unter anderem auch Deutschland – jedoch erhebliche Vorbehalte. Hier böte die Klausel den Mitgliedsländern die Möglichkeit, im Ernstfall doch noch die Notbremse zu ziehen.Im Europaparlament stieß Malmström am Freitag auf positive Resonanz: Politiker aller großen Lager begrüßten den Entwurf. Diese seien „die einzig richtige Antwort auf populistische Vorstöße, europäischen Herausforderungen mit nationalen Schlagbäumen und Grenzhäuschen zu begegnen“, kommentierte SPD-Innenexpertin Birgit Sippel den Vorstoß. Auch der stellvertretende Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU) und die integrationspolitische Sprecherin der FDP, Nadja Hirsch, begrüßten den Vorschlag.Bei den Mitgliedsländern, die dem Vorschlag auch zustimmen müssten, dürfte es für Malmström erheblich schwerer werden. Wie schwer, wird sich bereits in den nächsten Woche beim abzeichnen, wenn sich die Innenminister der EU-Länder treffen.© 2011 AP. All rights reserved

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